In seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 (Az. VIII ZR 57/19) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals im Diesel-Abgasskandal der Daimler AG geäußert und gerügt, dass das Oberlandesgericht Celle (Az. 7 U 263/18) kein Gutachten zur Klärung eingeholt hat, ob die Daimler AG das Abgaskontrollsystem im Motor OM 651 mit einer Abschalteinrichtung manipuliert hat. Hierin sieht der BGH eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz. Konsequenz dieses bemerkenswerten Beschlusses wird sein, dass in Diesel-Verfahren gegen die Daimler AG – zumindest in den nächsten Monate – vermehrt Gutachten eingeholt werden müssen, um die Vorwürfe der Verbraucher gegen die Daimler AG durch Sachverständigenbeweis überprüfen zu lassen.

Hintergrund ist, dass auch die Daimler AG möglicherweise einige ihrer Motoren in einer Weise manipuliert hat, dass diese Motoren nur unter gewissen Bedingungen die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einhalten. Mit dem Beschluss des BGH sowie einigen Hinweisbeschlüssen von involvierten Landgerichten nimmt die Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandal bei der Daimler AG Fahrt auf. Zunehmend wollen die Gerichte geklärt wissen, wie konkret das Abgasrückführungssystem bei den betroffenen Motoren funktioniert und ob diese Motoren mit einer Abschalteinrichtung das Abgaskontrollsystem manipulieren. Dieser Tendenz folgt der BGH, der die Ansicht des OLG Celle, das vom klagenden Verbraucher angeregte Sachverständigengutachten sei ein “Ausforschungsbeweis”, rügte. Der BGH führte aus, dass der Kläger keine genauen Sachkenntnisse darüber haben könne, wie der streitgegenständliche Motor mit seinem Abgaskontrollsystem funktioniere. Er habe jedoch genügend Anhaltspunkte vorgetragen, die ein Sachverständigengutachten rechtfertige und auf die er letztlich seinen Vorwurf stützt, sein Fahrzeug sei in zweifacher Hinsicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ausgestattet. Auch sei der Motor vom Typ OM 651 in anderen Daimler-Fahrzeugen verbaut worden, die dann vom Kraftfahrt-Bundesamt KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung verpflichtend zurückgerufen worden seien. Deshalb sei das Vorbringen des Klägers nicht “ins Blaue hinein” erfolgt, sondern schlüssig und erheblich.”

Der BGH bezieht sich in seinem Beschluss auch ausdrücklich auf den Hinweisbeschluss des BGH vom 8. Januar 2019 (Az. VIII ZR 225/17). Ein Mangel liegt nicht erst dann vor, wenn das KBA einen Rückruf angeordnet hat, “sondern auch schon dann, wenn diese Behörde eine entsprechende Maßnahme gegenüber dem Hersteller noch nicht getroffen hat. Denn auch dann ist im Ansatz bereits ein Sachverhalt (“Mangelanlage”/Grundmangel) gegeben, der – gegebenenfalls mit weiteren Umständen – dazu führen kann, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung vornimmt, weil das Fahrzeug wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspricht.”

Vor diesem Hintergrund haben sich mit der Entscheidung des BGH die Erfolgsaussichten von Geschädigten gegen die Daimler AG deutlich verbessert.

CategoryDieselskandal
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